Sie liebt Sprache und Worte, sie liebt ihre Figuren und fühlt und leidet mit ihnen. Die Schriftstellerin Anne Freytag gab vor den 10. Klassen der Realschule Obertraubling bei ihrer Lesung einen intensiven Einblick in ihr Buch „Nicht weg und nicht da“ – und einen sehr ehrlichen, ausführlichen in ihr Leben und Wirken. 

Gefördert vom Programm „Neustart Kultur“ und auf Betreiben der Leiterinnen der Obertraublinger Gemeindebücherei, Doris Kammermeier und Helena Krause, kam die Lesung an der Schule zustande. Im Vorfeld hatten sich die Schülerinnen und Schüler zwar auf die Begegnung mit der Münchner Autorin vorbereitet und in einige ihrer äußerst erfolgreichen Jugendromane hineingelesen, aber dass sie die Veranstaltung derart fesseln würde, damit hatten sie wohl nicht gerechnet. „Was ist mit denen, die zurückbleiben?“, war für Freytag die Ausgangsfrage, um ihren Jugendroman „Nicht weg und nicht da“ zu verfassen. Etwa ein halbes Jahr arbeitete sie an der Geschichte der 16-jährigen Luise, deren Bruder Christopher sich das Leben genommen hat. Der junge Mann litt unter einer bipolaren Störung. „Mein echtes Ich ist der Welt zu viel und mein ruhiggestelltes ist mir zu wenig“, erklärt er Lise in Emails, welche er vor seinem Tod verfasst und ihr per zeitversetztem Sendeauftrag zukommen lässt.  
Der Leseauszug sorgte für zahlreiche Fragen und einen intensiven Austausch zwischen den 16-Jährigen Zuhörern und der Autorin. Bereitwillig und offen gab sie darüber Auskunft, dass sie „Schullektüren hasste“, weil beim Vorlesen im Klassenverband keine Beziehung zur Handlung und den Figuren möglich war. Sie überraschte mit der Auskunft: „Ich lese eigentlich nicht“, um gleich darauf ihre Liebe zu Hörbüchern und Serien preiszugeben: „Man muss nicht viel lesen, aber Menschen ohne Geschichten können nicht existieren“, womit sie den Schülern aus der „Generation Netflix aus der Seele sprach. Sie erklärte den Heranwachsenden, dass sie ihre frühere Vorliebe, im Café zu schreiben, mit „Nicht weg und nicht da“ aufgab, weil sie mit ihren Figuren zu intensiv mitlitt: „Ich war die, die mit Kopfhörern im Café sitzt und heult.“ Und sie bleibt den 10.-Klässlern als authentische Frau in Erinnerung, die auch aus finanziellen und mentalen Tiefpunkten Selbstbewusstsein und Kreativität schöpfte.